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Die zweite Geschichte

von den zitronengelben Springstiefeln

Ei Ei
Ei Ei
Ei Ei
Ei Ei

Beelzebub is aching in my belly-o
My feet are heavy and I'm rooted in my wellios

Eines Tages, es war kurz vor Mondkinds sechstem Geburtstag, da sprach das Mondkind zu seiner Mutter und zu seinem Vater: »Liebe Mama, lieber Papa, ihr wißt ja, daß ich bestimmt das glücklichste Mondkind auf der ganzen Welt bin. Und das verdanke ich nur meinem feinen roten Käppchen, weil es macht, daß mich die Sonnenkinder allezeit sehen können. Und eigentlich gibt es nichts auf der Welt, was mich noch glücklicher machen könnte. Aber ihr wißt auch, daß nun bald wieder mein Geburtstag ist. Und weil ihr mich so lieb habt, da möchtet ihr mir sicher auch wieder etwas Schönes schenken, über das ich mich sehr freuen kann. Und das ist bestimmt nicht leicht. Doch ihr braucht euch nun keine Sorgen mehr zu machen, denn es gibt etwas Neues. Viele Sonnenkinder haben es schon, und bald werden es alle Sonnenkinder haben, und dann müßte ich traurig sein, wenn ich es nicht hätte. Und damit ihr wißt, was es ist, sage ich euch jetzt: es sind das die zitronengelben Springstiefel!«

»Aber«, so sprach das Mondkind weiter, »die Welt ist schlecht, und wenn ihr mir die zitronengelben Springstiefel kaufen wollt, dann müßt ihr gut aufpassen, daß es auch wirklich die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel sind, und nicht etwa die falschen. Und darum gebe ich euch nun einen Rat, wie ihr prüfen könnt, daß es die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel sind.«

»Also, ihr geht in ein gutes Sportgeschäft und fragt die Verkäuferin nach den zitronengelben Springstiefeln. Eine ehrliche Verkäuferin wird dann in den meisten Fällen sagen, daß sie leider keine zitronengelben Springstiefel vorrätig hätten, denn die zitronengelben Springstiefel sind so schwer zu finden. Dann bleibt euch nichts weiter übrig, als zum nächsten guten Sportgeschäft zu gehen, bis ihr endlich zu einem Geschäft kommt, wo sie die zitronengelben Springstiefel vorrätig haben.«

»Dann kann es sein, daß euch die Verkäuferin nach der Schuhgröße fragt, und das ist schon falsch und die Verkäuferin versteht überhaupt nichts von zitronengelben Springstiefeln, denn zitronengelbe Springstiefel haben keine Schuhgröße, die passen immer. Ihr müßt also zum nächsten Sportgeschäft gehen, bis ihr eines findet, wo man euch nicht nach der Schuhgröße fragt, sondern gleich ein Paar gelbe Stiefel hervorholt und behauptet, es seien die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel. Ob es aber wirklich die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel sind, das müßt ihr nun erst ausprobieren, und wie ihr das probieren könnt, das sage ich euch jetzt.«

»Zuerst müßt ihr die Stiefel hoch über euren Kopf halten, und dann laßt ihr sie fallen. Die Stiefel dürfen aber nicht wie normale Stiefel auf den Boden fallen, nein, sie müssen sanft, wie eine Feder, zu Boden schweben. Und das müßt ihr euch merken: Leicht, wie eine Feder, sind die zitronengelben Springstiefel.«

»Für die zweite Prüfung braucht ihr einen langen, spitzen Nagel und einen dicken Hammer, und damit nagelt ihr die Stiefel durch die Sohle an die Wand. Und wenn ihr das gemacht habt, dann solltet ihr gleich zum nächsten Sportgeschäft gehen, oder habt ihr etwa geglaubt, ihr könntet einen Nagel durch eine richtige, echte und wahre zitronengelbe Springstiefelsohle schlagen? Niemals! Da würde eher der Nagel oder der Hammer zerbrechen. Und das müßt ihr euch merken: Nichts geht durch eine zitronengelbe Springstiefelsohle.«

»Die zitronengelben Springstiefel schützen die Füße vor großer Hitze, und das ist wichtig, wenn man zum Beispiel über glühende Kohlen gehen muß oder einen Vulkan besteigen möchte. Für die Hitzeprüfung braucht ihr einen Gaskocher aus der Campingabteilung und drei hartgefrorene Eis am Stiel. Ein Eis legt ihr auf die Fensterbank, die beiden anderen steckt ihr in die Springstiefel, und dann solltet ihr so nett sein, und die Verkäuferin noch einmal fragen, ob sie auch ganz sicher ist, daß es richtige, echte und wahre zitronengelbe Springstiefel sind, denn nun müßt ihr den Gaskocher anzünden und die Springstiefel mit dem Eis darin auf die Gasflamme stellen, und ihr müßt die Flamme ganz weit aufdrehen, und wehe, wenn es dann keine richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel sind, dann muß die Verkäuferin ganz schnell die Feuerwehr rufen, und ihr müßt euch ein neues Sportgeschäft suchen. Die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel können natürlich nicht brennen, und ihr wartet nun ungefähr eine Stunde, bis das Eis auf der Fensterbank ganz aufgeschmolzen ist. Dann könnt ihr die Gasflamme abstellen und nachsehen, was aus dem Eis in den Springstiefeln geworden ist, und wenn es die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel sind, dann ist das Eis noch genauso kalt und hartgefroren, wie es vorher war, und ihr könnt eine Pause machen und euer Eis aufschlecken, und das müßt ihr euch merken: So wunderbar kühl sind im Sommer die zitronengelben Springstiefel.«

»Die zitronengelben Springstiefel schützen die Füße vor großer Kälte, und das ist wichtig, wenn man zum Beispiel eine Nordpolexpedition macht oder auf der Nachtseite des Mondes spazierengehen möchte. Für die Kälteprüfung braucht ihr ein Huhn, das gerade drei Eier ausbrütet, und einen Gefrierschrank mit minus zwanzig Grad. Zwei Eier müßt ihr dem Huhn stibitzen, das andere soll es behalten. Die beiden Eier legt ihr nun vorsichtig in die Springstiefel, dann stellt ihr die Springstiefel in den Gefrierschrank, und ihr müßt so lange warten, bis das Küken aus dem Ei, das bei dem Huhn geblieben ist, zu schlüpfen beginnt. Dann holt ihr die Springstiefel aus dem Gefrierschrank, und wenn es die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel sind, dann werdet ihr sehen, daß die Küken in den Springstiefeln schon längst geschlüpft sind und ihr Gefieder schon ganz trocken und zitronengelb aufgeplustert ist. Die Küken gebt ihr dem Huhn zurück, und das müßt ihr euch merken: So wunderbar warm sind im Winter die zitronengelben Springstiefel.«

»Nun müßt ihr die zitronengelben Springstiefel aber auch einmal an euren Füßen ausprobieren. Die zitronengelben Springstiefel passen immer, und wenn man die Augen schließt, dann spürt man nur ein leichtes Kribbeln unter den Füßen, so als würde man barfuß durch eine warme, weiche Sommerwiese schlendern. Und das Gefühl ist so wunderbar ...Ja, es ist, als würde man schon die Vögel zwitschern und die Bienen summen hören. Und das ist besonders wichtig für Kinder, damit die Füße gut wachsen können. Denn wer später fest im Leben stehen will, der braucht ja große Füße. Und das müßt ihr euch merken: Kinderfüße wachsen gut in zitronengelben Springstiefeln.«

»Ach, und jetzt hätte ich beinahe die Hauptsache vergessen, also das, wofür die zitronengelben Springstiefel eigentlich gemacht sind, man kann damit nämlich so wunderbar hoch und weit springen. Für die wirklich hohen und weiten Sprünge braucht es natürlich etwas Übung, aber einen kleinen Hopser solltet ihr schon probieren. Dazu müßt ihr nach draußen gehen und ihr müßt acht geben, daß über euch alles frei ist. Dann geht ihr ein wenig in die Knie und stoßt euch sanft vom Boden ab. Ein ungeübter Springer wird mit seinem ersten Sprung ungefähr drei bis fünf Stockwerke hoch springen, natürlich nur, wenn es die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel sind. Ihr braucht aber keine Angst zu haben, daß ihr dabei auf den Kopf oder auf den Bauch fallen könntet, nein, ihr werdet immer weich auf den Füßen landen, und die zitronengelben Springstiefel dämpfen den Stoß, und das müßt ihr euch merken: Wer hoch hinaus will, der braucht zitronengelbe Springstiefel.«

Das Mondkind zeigt, wie es geht!
Wer hoch hinaus will, der braucht zitronengelbe Springstiefel! Das Mondkind zeigt, wie es geht!

»So, das war die letzte Prüfung, und nun braucht ihr die zitronengelben Springstiefel nur noch zu bezahlen, doch ihr dürft nicht erschrecken, denn die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel sind furchtbar teuer, dafür halten sie aber auch ein ganzes Leben lang, und wenn man das bedenkt, dann sind sie eigentlich nicht teurer als andere Schuhe auch.«

So hat das Mondkind zu seiner Mutter und zu seinem Vater gesprochen, und dann hat es bei sich gedacht: »Ach, die zitronengelben Springstiefel sind so schwer zu finden, und ich weiß nicht, ob meine Mama und mein Papa sie finden werden, und wenn sie die zitronengelben Springstiefel wirklich gefunden haben, ob die Mama und der Papa mich dann auch so lieb haben, daß sie mir die zitronengelben Springstiefel zum Geburtstag schenken und sie nicht lieber für sich selbst behalten wollen?«

Oh, wie schrecklich war diese Ungewißheit. Und dann ist Mondkind mitten in der Nacht vor ihrem Geburtstag noch etwas Wichtiges eingefallen, und sie mußte den Mondkindvater wecken und ihm sagen, wenn sie die zitronengelben Springstiefel bekäme, dann brauche sie auch unbedingt ein gelbes Notizbuch für die zitronengelbe Springstiefelliste, aber der Vater war so müde, daß er nur brummte: »Ach Mondkind, das ist doch nicht wichtig, darum mußt du mich doch nicht mitten in der Nacht wecken.« Und gleich war er wieder eingeschlafen. Es war aber wichtig, denn in Mondkinds Kopf wuchs ja schon das zitronengelbe Springstiefellied, und wenn es herauswollte, dann mußte sie es doch gleich aufschreiben, sonst würde sie es ja vergessen, und dafür brauchte sie unbedingt das gelbe Notizbuch.

Die Sorgen waren so groß, daß Mondkind lange Zeit nicht einschlafen konnte, und am nächsten Morgen mußte die Mutter sie ordentlich wachrütteln. Dann aber ist Mondkind wie der Blitz aus dem Bett gesprungen, und der Vater und die Mutter hatten kaum Zeit, ihr richtig zum Geburtstag zu gratulieren, denn schon war sie in der guten Stube verschwunden, und wie ein Wirbelwind hat sie die sechs Kerzen auf ihrem Geburtstagskuchen ausgeblasen, und auf dem Tisch, neben dem Kuchen, stand ein gelber Schuhkarton, und ihr könnt euch sicher denken, was darin war.

Mondkind wartete noch, bis die Eltern auch in der Stube waren, dann hob sie den Kartondeckel an, und es waren gelbe Stiefel in dem Karton, und Mondkind wußte sofort, daß es nur die richtigen, echten und wahren zitronengelben Springstiefel sein konnten, die der Vater und die Mutter ihr da geschenkt hatten, und sie mußte dreimal drei Jubelschreie ausstoßen, daß es im ganzen Haus zu hören war, und dann ist sie flink, wie ein Wiesel, in die zitronengelben Springstiefel geschlüpft, und wie himmlisch es sich anfühlte, und Mondkind wollte gleich so, wie sie war, im Nachthemd aus dem Fenster springen, aber der Vater und die Mutter haben sie festgehalten, denn ohne ihr rotes Käppchen durfte Mondkind nicht in den Garten.

Die Sonnenkinder hatten schon auf Mondkind gewartet, und manche hatten ja auch schon zitronengelbe Springstiefel an, und mit denen konnte Mondkind um die Wette springen, und sie sprangen über Berge und Täler, über Felsen und Schluchten, über Mauern und Zäune, daß es eine Freude war. Und die Sonnenkinder hatten auch ein Geschenk für Mondkind, und wißt ihr, was es war? Es war ein gelbes Notizbuch, und das kam gerade recht, denn mitten im schönsten Springen sauste und brauste es in Mondkinds Ohren, und sie mußte eine Pause machen, und dann wollte plötzlich das zitronengelbe Springstiefellied herauskommen, und Mondkind hat es gleich aufgeschrieben, und das zitronengelbe Springstiefellied ging so:

Himmlische zitronengelbe Springstiefel
So leicht und locker, fast wie barfuß, dieses Wohlgefühl
Und ich möchte jetzt ganz hoch hinaus
Mich halten keine Mauern
Antilopen springen mir nicht gut genug
Und Känguruhs auch, da sag ich nur paßt gut auf
Seht dort hoch am Himmel ist ein kleiner Punkt
Das bin ich

Ich mag Zitronengelb
Und spring' zitronengelb
Die Springstiefel, zitronengelb
Oh, wie ich springe!

Die Springstiefel sind zitronengelb
O wie so leicht, was soll ich tun?
O wie so leicht, was soll ich tun?
Was kann ich tun, was kann ich tun?

Es geht so rasch, in meinen Ohren saust und braust es
So wie nie, mein armer Kopf ist mir verrückt
Drum mach' ich lieber eine Pause
Ich bleib' am Boden stehn
Um meine Füße weht ein leichter Sommerwind
Oh, ich weiß nur, daß ich die roten Schuhe nicht mehr will
Wenn ich Lust hab', spring' ich wieder hoch
Und wenn nicht, dann bleib' ich unten

Ich mag Zitronengelb
Und spring' zitronengelb
Die Springstiefel, zitronengelb
Oh, wie ich springe!

(Nach dem englischen Springstiefellied »Kite« von Kate Bush, © 1978 EMI Records Ltd.)

Hier springt das Mondkind! Hier springt das Mondkind!
Für die wirklich hohen und weiten Sprünge braucht es natürlich etwas Übung! Hier sieht man mal, wie das Mondkind springen kann!

Ja, nun war Mondkind so glücklich, und es gab nichts auf der Welt, was sie sich noch wünschte, wenn sie nur ihr rotes Käppchen und ihre zitronengelben Springstiefel hatte. Und wenn euch das rote Käppchen und die zitronengelben Springstiefel genug sind, dann dürft ihr jetzt mit den Sonnenkindern um die Wette springen. Wer aber mehr will, der soll noch zur nächsten Geschichte bleiben.

Ei Ei
Ei Ei